„So ist das bei uns, Lieder für Festtage sind fröhlich und Lieder über den Alltag immer traurig.“ Dzigis blickt in die Runde, nachdem er die Augen wieder geöffnet hat. Kaum hatte er den Laden betreten und sich auf einen Stuhl gesetzt, ist er versunken in seinen Gesang und hat dabei diesen speziellen slawischen Blick, zwischen Lachen und Weinen, melancholisch und hoffnungsvoll zugleich. Sein bosnisch klingt wie russisch, vielleicht ist es aber auch nur die sehr ähnliche Melodieführung. Er hat selbst gemachte Cevapi in die kleine Bar in der Nähe des Zürcher Idaplatzes mitgebracht. Wir stürzen uns euphorisch darauf, der Rotwein hat uns hungrig gemacht.
Um uns herum an den Wänden hängen alte Perserteppiche, verblichene Fotografien, Devotionalien aus vergangenen Zeiten. „Schau dich um, in diesem Raum hier ist Kultur. In Russland oder auf dem Balkan da lebt man inmitten jahrtausendalter Kultur. Hier in der Schweiz und in Mitteleuropa hat man sich ihr entledigt oder sie ins Museum gebracht. Sieh dir nur die modernen Wohnhäuser an.“ Tichon hat der Wein gesprächig gemacht. Er stammt aus Bosnien, ist Regisseur und Musiker. Er spielt die Gitarre wenn Dzingis singt.
Tichon wurde 1955 in einem kalten Winter in einem bosnischen Dorf geboren, ist als junger Mann viel gereist und hat in Italien oder Deutschland gearbeitet. Doch sein Zuhause blieb Jugoslawien. „In dieser Zeit hat niemand das Land verlassen. Wir hatten den besten Pass auf dieser Erde. Jugoslawien war bis zum Krieg ein offenes Land, wie die EU heute. Wir konnten reisen wohin und arbeiten wo wir wollten. Das war ganz normal. Wir waren keine Flüchtlinge. Das kam erst später.“ Irgendwann in den 90ern ist er in der Schweiz geblieben. „Gründe dafür waren aber keine politischen, sondern eher die Liebe, die Frauen, die Musik, das Leben eben.“
Bis 1980 lief, wie er sagt, alles normal in Jugoslawien. Jeder Arbeiter konnte ein Auto haben, meist einen Fica, ein Haus bauen oder eine Wohnung bekommen. Schule und Krankenkasse wurden vom Staat bezahlt. Doch das alles geschah auf Pump. Ab Mitte der 80er kam die Inflation und der Nationalismus erstarkte. Nach dem Mauerfall war das Land innerhalb kurzer Zeit kaputt. „ Wenn die Menschen aus Ex-Jugoslawien einen Zastava sehen, dann denken sie an die alten, friedlichen Zeiten, in denen es uns recht gut ging und Jugoslawien ein bedeutender Staat mit einer stabilen Währung war.“ Der Zastava sei ein Volksauto gewesen, wie heute ein Fahrrad. Er war ein Statussymbol, nicht nur in Jugoslawien, auch in der 3. Welt. „Für uns war der Zastava so etwas wie der VW heute in Deutschland.“
Auf die Frage nach seiner jugoslawischen Identität holt er etwas weiter aus. „Ich fühle mich im Slawischen verwurzelt. Bosnien und Herzigowina hat eine 2000 Jahre alte Kultur. Die fühle ich in mir. Jugoslawien war nur ein Traum. Er wurde zweimal geträumt, zuerst als Königreich, dann als Volksrepublik. Das ist alles vorbei. Viele Alte haben noch Nostalgie in sich, aber es gibt heute keine Idee mehr für ein einheitliches Land. Klar, alle wollen in die EU, aber nicht mehr gemeinsam. Der gemeinsame Geist zeigt sich noch in der Kultur, der Sprache, der Musik, doch die ökonomischen Interessen, die nationalistische Propaganda und der Hass sind stärker. Wen interessiert heute noch die Kultur auf dem Balkan. Die macht vielleicht 0,3% des Staatshaushalts aus. Bei Tito waren es noch 16%.“
Und nun klingen auch für uns die Erzählungen von Jugoslawien wie Märchen aus alten Tagen. Vielleicht ist unser Zastava für die Leute vom Balkan so etwas wie eine Sagengestalt, eine Fata Morgana, ein Echo aus einer wohl klingenden Vergangenheit .
„So ist das bei uns, Lieder für Festtage sind fröhlich und Lieder über den Alltag immer traurig.“ Dzigis blickt in die Runde, nachdem er die Augen wieder geöffnet hat. Kaum hatte er den Laden betreten und sich auf einen Stuhl gesetzt, ist er versunken in seinen Gesang und hat dabei diesen speziellen slawischen Blick, zwischen Lachen und Weinen, melancholisch und hoffnungsvoll zugleich. Sein bosnisch klingt wie russisch, vielleicht ist es aber auch nur die sehr ähnliche Melodieführung. Er hat selbst gemachte Cevapi in die kleine Bar in der Nähe des Zürcher Idaplatzes mitgebracht. Wir stürzen uns euphorisch darauf, der Rotwein hat uns hungrig gemacht.
Um uns herum an den Wänden hängen alte Perserteppiche, verblichene Fotografien, Devotionalien aus vergangenen Zeiten. „Schau dich um, in diesem Raum hier ist Kultur. In Russland oder auf dem Balkan da lebt man inmitten jahrtausendalter Kultur. Hier in der Schweiz und in Mitteleuropa hat man sich ihr entledigt oder sie ins Museum gebracht. Sieh dir nur die modernen Wohnhäuser an.“ Tichon hat der Wein gesprächig gemacht. Er stammt aus Bosnien, ist Regisseur und Musiker. Er spielt die Gitarre wenn Dzingis singt.
Tichon wurde 1955 in einem kalten Winter in einem bosnischen Dorf geboren, ist als junger Mann viel gereist und hat in Italien oder Deutschland gearbeitet. Doch sein Zuhause blieb Jugoslawien. „In dieser Zeit hat niemand das Land verlassen. Wir hatten den besten Pass auf dieser Erde. Jugoslawien war bis zum Krieg ein offenes Land, wie die EU heute. Wir konnten reisen wohin und arbeiten wo wir wollten. Das war ganz normal. Wir waren keine Flüchtlinge. Das kam erst später.“ Irgendwann in den 90ern ist er in der Schweiz geblieben. „Gründe dafür waren aber keine politischen, sondern eher die Liebe, die Frauen, die Musik, das Leben eben.“
Bis 1980 lief, wie er sagt, alles normal in Jugoslawien. Jeder Arbeiter konnte ein Auto haben, meist einen Fica, ein Haus bauen oder eine Wohnung bekommen. Schule und Krankenkasse wurden vom Staat bezahlt. Doch das alles geschah auf Pump. Ab Mitte der 80er kam die Inflation und der Nationalismus erstarkte. Nach dem Mauerfall war das Land innerhalb kurzer Zeit kaputt. „ Wenn die Menschen aus Ex-Jugoslawien einen Zastava sehen, dann denken sie an die alten, friedlichen Zeiten, in denen es uns recht gut ging und Jugoslawien ein bedeutender Staat mit einer stabilen Währung war.“ Der Zastava sei ein Volksauto gewesen, wie heute ein Fahrrad. Er war ein Statussymbol, nicht nur in Jugoslawien, auch in der 3. Welt. „Für uns war der Zastava so etwas wie der VW heute in Deutschland.“
Auf die Frage nach seiner jugoslawischen Identität holt er etwas weiter aus. „Ich fühle mich im Slawischen verwurzelt. Bosnien und Herzigowina hat eine 2000 Jahre alte Kultur. Die fühle ich in mir. Jugoslawien war nur ein Traum. Er wurde zweimal geträumt, zuerst als Königreich, dann als Volksrepublik. Das ist alles vorbei. Viele Alte haben noch Nostalgie in sich, aber es gibt heute keine Idee mehr für ein einheitliches Land. Klar, alle wollen in die EU, aber nicht mehr gemeinsam. Der gemeinsame Geist zeigt sich noch in der Kultur, der Sprache, der Musik, doch die ökonomischen Interessen, die nationalistische Propaganda und der Hass sind stärker. Wen interessiert heute noch die Kultur auf dem Balkan. Die macht vielleicht 0,3% des Staatshaushalts aus. Bei Tito waren es noch 16%.“
Und nun klingen auch für uns die Erzählungen von Jugoslawien wie Märchen aus alten Tagen. Vielleicht ist unser Zastava für die Leute vom Balkan so etwas wie eine Sagengestalt, eine Fata Morgana, ein Echo aus einer wohl klingenden Vergangenheit .